„Es fehlen barrierearme Wohnungen, die überwiegend durch Umbauten im Bestand geschaffen werden können und es fehlen – mit Blick auf die (mangelnde) Zahlungsfähigkeit der Senioren in 20 Jahren – kleine Wohnungen.“
- Mathias Günther, Vorstand des Pestel Institut für Systemforschung e.V.

Wer ist Mitglied im Verbändebündnis „Wohnen 65plus“ und was sind die konkreten Ziele?

Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e.V.
Am Weidendamm 1 A
10117 Berlin
BDB- Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. Bundesgeschäftsstelle
Willdenowstraße 6
12203 Berlin-Steglitz
Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e.V.
Kochstraße 6-7
10969 Berlin

Deutscher Mieterbund e.V.
Littenstraße 10
10179 Berlin
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
Olof-Palme-Str. 19
60439 Frankfurt am Main
Sozialverband VdK Deutschland e. V.
Wurzerstraße 4 a
53175 Bonn

Seit einigen Jahren haben sich – unter Koordination der DGfM - in unterschiedlichen Konstellationen Verbände, deren Mitglieder mit dem Thema Wohnen und Wohnungsbau Berührung haben, zusammengefunden, um Missstände und Versäumnisse in der Wohnungspolitik aufzuzeigen und Vorschläge für eine veränderte Wohnungspolitik aufzuzeigen.


Wie sollte die Politik den drohenden Fehlbestand an barrierefreien Wohnungen fördern (im Vergleich zu jetzigen Förderprogrammen)?

In einer vom Bauministerium herausgegebenen Broschüre zum „Wohnen im Alter“ wurde festgestellt, dass „in den kommenden Jahren 2,5 Mio. Wohnungen mit einem Investitionsaufwand von insgesamt 39 Mrd. €“ in Richtung Barrierearmut angepasst werden müssen. Um dies innerhalb von zwei Legislaturperioden zu erreichen, wäre das Programm „Altersgerecht Umbauen“ der KfW auf ein Fördervolumen von über 500 Mio. € im Jahr aufzustocken. Sinnvoll wäre auch, wenn es im Rahmen des Programms nicht nur Kredite gäbe, sondern auch eine Zuschussvariante.


Ab 2017 wird die Eckrente bis 2035 sukzessive auf 20 Prozent abgesenkt. Wie können künftige Rentenbezieher vorsorgen, damit sie auch im Alter selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden leben können?

Viele Menschen betreiben ja bereits mit privaten Sparverträgen wie etwa „Riesterverträgen“ zusätzliche Vorsorge. Allerdings gibt es einen sehr hohen Anteil an Arbeitnehmern und inzwischen auch Selbstständigen mit so niedrigen Einkünften, dass eine zusätzliche private Vorsorge kaum möglich ist bzw. so niedrig ausfällt, dass sie vor Altersarmut nicht schützt. Nach den aktuellen Berechnungen des Arbeitsministeriums erreichen Menschen, die 2.500,-- € brutto verdienen und 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, eine Rente lediglich in Höhe der Grundsicherung. Bruttoeinkommen bis zu dieser Höhe beziehen gegenwärtig mehr als ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten. Nimmt man die Teilzeitbeschäftigten, die Minijobber und die Arbeitslosen hinzu, so stellt man fest, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr potenziell von Altersarmut bedroht ist.


Was empfehlen Sie Hausbesitzern, die Eigenheime in barrierefreie Wohnungen umwandeln wollen, um den Wert ihres Eigentums zu steigern?

Sie sollten die öffentlichen Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Entsprechende Umbauten dienen allerdings eher der Wertstabilisierung und Verbesserung der Verkaufsmöglichkeiten. Die Wertsteigerung dürfte nur in Einzelfällen das Investitionsvolumen erreichen.


Das Verbändebündnis warnt insbesondere vor der Zunahme an älteren Pflegebedürftigen von 2,9 auf 4,5 Prozent der Gesamtbevölkerung, Wie muss Wohnraum für pflegebedürftige Senioren gestaltet sein?

An der Zunahme der Pflegebedürftigen bestehen kaum Zweifel. Es ist natürlich stark von der Art und der Schwere der gesundheitlichen Einschränkung abhängig, ob die Pflege ambulant in der Wohnung des Betroffenen erfolgen kann oder ob eine stationäre Pflege erforderlich ist. Barrierearme Wohnungen können aber einerseits den Zeitpunkt des Umzugs in ein Pflegeheim hinausschieben. Auf der anderen Seite ist aber auch die präventive Funktion zu beachten. So leisten barrierearme Wohnungen – insbesondere in Kombination mit einer speziellen Beratung – einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Stürzen, die ja eine erhebliche Ursache von Mobilitätseinschränkungen und Pflegebedürftigkeit sind.


Sozialer Wohnungsbau ist ein Thema der kommunalen Daseinsvorsorge: Wie müssen Kommunen aus Ihrer Sicht auf den drohenden Wohnungsmangel reagieren - und wann?

Vom Wohnungsmangel im klassischen Sinne sind gegenwärtig vor allem Hochschulstandorte betroffen. Es fehlen barrierearme Wohnungen, die überwiegend durch Umbauten im Bestand geschaffen werden können und es fehlen – mit Blick auf die (mangelnde) Zahlungsfähigkeit der Senioren in 20 Jahren – kleine Wohnungen. Die von den Ländern ausgereichten Mittel des sozialen Wohnungsbaus können sowohl in der Modernisierung als auch für den Neubau eingesetzt werden. Eine zusätzliche Förderung seitens der Kommunen ist angesichts der Haushaltslage in den meisten Städten und Gemeinden eher unwahrscheinlich. Die Kommunen können aber in der Beratung vor Ort ansetzen und sie können die Etablierung neuer Wohnformen begleiten und unterstützen. Da sich bei sinkenden Alterseinkünften und steigenden Wohnkosten eine Reduzierung der Wohnfläche pro Kopf nahezu zwingend ergibt, werden künftig verstärkt gemeinschaftliche Wohnformen gebraucht.


Interview mit Mathias Günther, Vorstand des Pestel Institut für Systemforschung e.V.